Dienstag, August 23, 2005

Geburtstag II

Gestern, am 22. August, wäre meine Mama 68 geworden. Das hat sie leider nicht geschafft. Sie ist im vergangenen Jahr, am 17. Oktober, gestorben. Damals hatte ich für die Beerdigung, die wir sehr schlicht gehalten haben, eine kurze "Rede" vorbereitet. Meine Mutter wollte nicht, dass irgendein Kirchenmann etwas über sie sagte - wir Kinder sollten das tun. Das hatte sie schon damals, als mein Vater beerdigt wurde, verlangt. Sie wußte ja nicht, dass nur noch Petra und ich übrig bleiben würden. Rosi starb ja nur ein halbes Jahr vor ihr.
Diese "Rede" habe ich nie gehalten. Ich war dazu nicht in der Lage. Petra stammelte und weinte dann ein paar Worte. Den Zettel mit den Worten, die ich sagen wollte, habe ich zerrissen, kurz vor der Zeremonie. Es ging in etwa so:
"Zu behaupten, meine Mutter hätte all das in ihrem Leben erreicht, was sie wollte, wäre gelogen. Sie starb arm nach einem Leben voller Plackerei und finanziellen Nöten. Für sie war die Familie wichtig, die Harmonie und das Zusammensein. Sie war krank und hat sich schwer getan in den letzten Monaten, vor allem, nachdem Rosi gestorben ist. Sie hat mir gesagt, dass sie erst sterben würde, wenn Dennis groß und versorgt ist. Wir Kinder hätten sie noch so sehr gebraucht, aber ich weiß, dass sie da, wo sie jetzt nach ihrem Glauben sein muss, glücklich ist. Weil sie jetzt bei ihrer Tochter ist, deren Tod ihr das Herz gebrochen hat. Und bei ihrem Mann, den sie so sehr vermisst hat."
Meine Mutter war eine gläubige Frau, die die Kirche verflucht, aber ihren Gott geliebt hat. Unsere Beziehung war nicht einfach, vor allem zum Schluss hin. Ihre Krankheit, die mehrfachen Aufenthalte auf der Intensivstation im künstlichen Koma, ihre offensichtliche Zerbrechlichkeit machten mich nervös, traurig und wütend. Ich wusste, dass sie nicht mehr lange leben würde, und das machte mich rasend. Ich glaube dass sie verstanden hat, dass ich nicht ihr böse war, nicht auf sie wütend. Wir waren nie gemeinsam im Kölner Dom, so wie sie sich das gewünscht hatte. Tausend Ausreden. Tausend Befürchtungen. Würde sie die Anstrengung einer Bahnfahrt aushalten? Das Laufen auf der Domplatte? Mit dem Auto fahren war nicht möglich, Türen, Gurt und Bremsen waren nicht in Ordnung.
Den einzigen, den wirklichen Grund habe ich ihr einfach nicht sagen können. Ich wusste, dass die Fahrt nach Köln ein Abschied gewesen wäre.

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