Als Kind war ich Messdiener. Meine Eltern, katholisch (trotzdem beide in zweiter Ehe lebend), haben das wohl gut geheißen. Wieso ich Messdiener wurde, weiß ich nicht mehr. Ich habe alles mitgemacht. Taufe, Kommunion, Firmung. Ich bin sogar Taufpate. Während ich Messdiener war, habe ich angefangen, die Kirche als Institution zu hinterfragen. Das mache ich noch heute. Teils populistisch provozierend, teils süffisant den Finger in die schwärenden Wunden legend.
Gleichzeitig mit meiner Arbeit als Journalist habe ich mich für die alten Religionen zu interessieren begonnen. Die Kelten mit ihren Opfern faszinieren mich wegen der Machtfülle ihrer Druiden. Die "Heiden", die ihren Namen von der Anbetung der und den Messen in der Natur haben, sind mir allerdings weitaus näher. Gaia als Gottheit anzusehen ist mir dann aber doch ein bisschen zu hoch - das Ding unter meinen Füßen ist ein Felsbrocken mit Eisenkern, der durch die schnelle Drehung seinen kugelförmigen Charakter bekam. Nichtsdestotrotz ist mir das Konzept der Achtung der Natur wesentlich angenehmer als das bloße Anbeten eines Zimmermanns.
Moralinsaure Predigten, die Aberkennung wissenschaftlicher Beweise, der nahezu mörderische Umgang mit dem Thema AIDS. Nicht zu vergessen die seit Jahrhunderten praktizierte Bereicherung einer Gruppe Frömmlinge auf Kosten der Allgemeinheit. Kirchensteuer.
Zugute halten muss man der Kirche, dass sie viele der Projekte führt, erfindet und aufrecht erhält, die von Bund, Land und Kommune vernachlässigt werden. Mehr als zwei Milliarden Euro werden so an Kirchensteuer eingenommen - nur in NRW. Dazu kommt der Grundbesitz (die meisten Kirchen sind in zentraler städtischer Lage und haben damit einen immensen Wert), Beteiligungen, Unternehmen ...
Trotzdem ist Kirche - vor allem die katholische Version, die ich in diesem gesamten Post nur als "Kirche" bezeichne - für viele cool. Spätestens seit "wir" Papst "sind". Mein Papa hätte sich bestimmt darüber gefreut, wenn er auch den Ratzinger nicht wirklich toll fand, weil der den afrikanischen Ländern den Schutz vor AIDS per Appell an den "Glauben" verbot. Meine Mutter ärgerte sich schon immer über die alberne Verweigerung der Anerkennung homosexueller Partnerschaften. Mein Papa lebte lange in Kevelaer, liebte Kirchen und war gläubig. Meine Mutter ist geborene Schiefbahnerin, war zu Lebzeiten gläubig.
Glaube ist etwas anderes als Kirche. Das ist mir von meinen Eltern klar gemacht worden. Und genau so ist dieses Post zu verstehen. Ich respektiere und akzeptiere den individuellen Glauben. Das gilt nicht für die Amtskirchen und ihre machtversessenen Strukturen. Kirche (nicht: Glaube) konterkariert all das, was uns die Gründerväter ins Stammbuch geschrieben haben. Gleichstellung von Mann und Frau, beispielsweise. Rückwärts gewandt. Selbstverliebt. Wirklichkeitsvergessen.
Während die Demokratie als solche sich mitunter neu erfindet und neue Wege geht, also Erwachsen wird und sich so den wachsenden Anforderungen durch immer mehr und immer schneller informierte Menschen halbwegs anpasst, bleibt Kirche, was sie schon immer war. Inszenierung, Besitzstandswahrung, mitunter ungebetene Einmischung in das Leben, privilegierte Elite vor allem in den oberen Entscheidungskasten.
Dabei ist Glaube - vor allem, wenn nicht fanatisch - etwas Gutes. Für andere, nicht für mich. Glaube kann Schwache stark machen, kann Einsame in eine Gemeinschaft integrieren. Kann Trost und Geborgenheit bieten. Und dabei ist es völlig egal, woran geglaubt wird. Das Problem sind selten die Gläubigen, ist weniger die Basis.
Habemus papam? Ich nicht.
5 Kommentare:
Seit Jahren schon will ich zu dem Thema was schreiben und nie ist es mir gelungen, mal damit anzufangen. Ich hab mich wohl auch nicht so richtig getraut.
Hier nun - wunderbar auf den Punkt gebracht. Auch der Unterschied zwischen Glaube und Kirche, der mich schon oft beschäftigt hat. Im Gegensatz zu Dir - glaube ich - ich kann es nicht genau definieren, aber an irgendwas glaube ich. Manchmal ist es auch nur ein Gefühl.
Ich mag die Kirche: wenn sie frei ist und offen (bei uns hier im Norden gibt es das). Ich freue mich über Ansprachen, die vom Leben handeln, von dem, wie Menschen sind und sie so akzeptiert. Und ich habe auch nichts gegen eine Gemeinschaft, die wir alle in gewisser Weise auch brauchen, nicht immer, aber in gewissen Maßen eben doch.
Aber: mir wird ganz eng im Hals, wenn sie reglementiert, einengt, vorschreibt, den Menschen klein redet, Macht ausübt, das vor allem - und damit droht. So habe ich die katholische Kirche bisher kennen gelernt - mit einigem Entsetzen, wie ich zugeben muss. Schon die Rituale, die ich ahnungslos lutherische mit nichts zusammen bringen kann, gruseln mich, mir ist schon das Glaubensbekenntnis hier bei uns zuviel.
Und doch empfinde ich die evangelische Kirche als sehr viel freier. Nicht immer, aber manchmal.
Man sieht es auch an den Kirchen selbst. Im Kölner Dom bekomme ich Platzangst, als würde man mir etwas überstülpen wollen. Diese Dunkelheit, diese Größe, dieser Prunk und alles von Geldern der Gläubigen.
Wie anders dagegen der Hamburger Michel. So hell, so nach allen Seiten geöffnet, innen in Form eines Schiffes und im Vergleich zum katholischen auch - schlicht. Einfach schön. Dort kann ich sitzen und mit meinen Gedanken oder meinem Glauben ganz allein sein, ohne Vorschriften.
Bemerkenswert: Es gibt dort ein Tagebuch, in das jeder Besucher hineinschreiben kann, dazu ein Monatsthema, eine Frage an die Besucher. Im Mai, zum Hafengeburtstag lautete die Monatsfrage: "Ist ein Papst heute noch zeitgemäß?"
Hat mir gefallen das Thema.
Wenn Kirchenmenschen sich um die kümmern, die vom Leben vergessen wurden, halte ich das für eine notwendige und richtige Maßnahme, allerdings nur, wenn sie nicht an kirchliche Bedingungen geknüpft ist.
Das Glaube auch gefährlich ist, wissen wir ja inzwischen ebenfalls alle, darum ist das ein noch viel weiteres Feld. Ich habe es noch immer nicht geschafft, mich mal mit den Weltreligionen auseinander zu setzen - vielleicht war es mir auch zuviel.
Protestantisch ist weltlicher, richtig? Ich als alter Kathole sehe auch oft neidisch die einfachen, nicht-protzigen und meist sehr sehr hell eingerichteten Kirchen der Evangelischen. Sagen wir mal so: An Ausstattung und Lichtverhältnissen in den Katholentempeln sieht man ja schon die düstere Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft.
Erstaunlich was für ein Reizthema das ist, hm? Ich muss grinsen und finde es auch spannend, weil mich das schon so lange beschäftigt - und ich vielleicht auch hin- und hergerissen bin. Was will ich eigentlich? Wofür entscheide ich mich? Verteufel ich wirklich alles oder gibt es da nicht doch etwas, das mir gefällt, das mir wichtig ist, mit dem ich was anfangen kann? Ist es vielleicht einfach nur chic zu sagen, Kirche find ich doof? Braucht man mehr Mut dazu zu stehen?
Wahrscheinlich ist es von allem etwas und darum ist es spannend auch zu erfahren, wie es anderen damit geht.
Ich muss auch zugeben, dass sich meine Ansicht, mein Gefühl, in den letzten Jahren sehr verändert hat, viel kritischer geworden ist. Aber dennoch ist ein Rest übrig geblieben aus der Zeit, bevor ich damit angefangen habe zu hinterfragen.
Die Wieskirche? Ja, ich glaube da waren wir vor ein paar Jahren mal, als wir von Schloß Linderhof kamen. Ganz zufällig sind wir da gelandet, ohne Plan und auch ich fand sie von innen sehr schön - durchaus schöner als andere katholische Kirchen. Am besten aber hat mir gefallen und ist mir in Erinnerung geblieben, - ganz viele Bücher, in die Menschen ihre persönlichen Geschichten geschrieben haben. Wofür sie beten, was sie sich erhoffen - das ganze menschliche Dasein konnte man dort auf zig Seiten nachlesen. Teilweise erschütternd - auch wie sehr sie alles vom Glauben abhängig gemacht haben, teilweise aber auch rührend und noch heute denke ich, wenn es das ist, was die Menschen aufrecht hält, wenn sie daraus ihre Hoffnung schöpfen, dann liegt darin ein Trost, auf den die anderen,die das nicht haben, nicht zurück greifen können.
Als junges Mädchen wollte ich mal eine zeitlang Nonne werden. Keine Ahnung warum - es schien mir vielleicht sicherer als der Rest der Welt. Das hat sich aber gegeben :-). Vielleicht mochte ich auch Audrey Hephburn nur zu gerne.
Im Kindes- und Jugendalter war mir das alles sowieso wichtiger, es hat mir oft Halt gegeben, ich mochte auch die Musik, habe nicht viel gefragt. Meine Kinder mussten getauft werden, bevor sie ein 1/4 Jahr alt waren - das hat mir niemand vorgeschrieben, es war bei uns auch in der Familie nicht üblich - es war nur mein inneres Gefühl, das ich selbst ein bißchen albern finde... aber es scheint ja wohl irgendwas zu geben, an das ich glaube.
Die Kirchen Anfang der 70er Jahre haben eine furchtbare Bauweise, sie unterscheiden sich von den Kirchen die ich meine, in der Weise, dass sie keine Geborgenheit geben. Sie wirken viel zu trist und groß und lieblos.
Unsere Kirche liegt 5 Gehminuten von unserem Haus entfernt - in Sichtweite. Wenn mir "nach Kirche ist" fahre ich drei Kilometer weiter, nach Neugraben, dort ist eine kleine - und in der Tat sogar dunkle - Kirche, die so etwas kuscheliges hat, so geborgen. Trotz ihrer Dunkelheit nicht erdrückend und mit richtig schön bemalten Fenstern :-).
Als ich 17 war haben wir Urlaub im Weserbergland gemacht. Dort gab es so eine ganz trutzige, alte Kirche mit riesigen, dicken Mauersteinen. Ich bin dort abends mehrfach hingegangen - ganz allein UND im Dunklen und habe mich in die Kirchenbänke gesetzt. Ich habe mich dort sehr wohlgefühlt.
Hier bin ich Mensch - hier darf ich sein. - So ungefähr. Dieses Gefühl habe ich nie vergessen.
Aber es ist schon richtig, es kommt eben immer auf den einzelnen Menschen an, was er daraus macht, wie er damit umgeht, wie er sich darauf einlässt.
Schwierig wird es dann, wenn die "Kirchenoberhäupter" diese (meine) Freiwilligkeit dazu benutzen mir Vorschriften zu machen, mich zu unterdrücken und mir Lippenbekenntnisse aufzwingen. Dann kann man nur noch aufstehen und gehen. Das hat die katholische Kirche noch nicht begriffen und vielleicht auch viele der katholischen Gläubigen noch nicht.
Wenn man es aus künstlerischer Sicht betrachtet, mag das noch wieder anders sein.
Ich fühle mich vom Kölner Dom gefühlsmäßig so niedergedrückt und kann mich deshalb mit dem Auge auch nur schwer drauf einlassen.
Im Gegensatz dazu könnt ihr aber auch hier nochmal schauen, um einen kleinen Eindruck vom Michel zu bekommen: http://www.st-michaelis.de/_MichelBauwerk/index.html
Der Papst also. Früher dachte ich mal, er wäre modern, Johannes Paul. Und jetzt in den Nachrufen konnte man auch immer wieder lesen, wie weltoffen er war, wie er auf alles zugegangen ist, sich auch politisch eingemischt hat und durchaus nicht zum schlechten. Das habe ich mit der Zeit alles vergessen und übersehen. Erschreckt haben mich die verstaubten Ansichten über Gleichberechtigung, Zölibat, Verhütung, Ökumene usw.
Völlig am Leben vorbei. Diese Vorschriften haben meine Einstellung zum Papst geprägt und wurden ja von Ratzinger stark unterstützt.
Höhepunkt meiner Abneigung war dann vor 2 1/2 Jahren, als ich zum Karneval nach Aachen gefahren bin (was für eine Schnapsidee!). Da musste ich dann am Samstag vor Rosenmontag tatsächlich mit in so einen Gottesdienst und DER hat mich dann das Fürchten gelehrt.
Es war nur immer von Schuld und Sühne die Rede und wie klein die Menschen doch sind und wieviel Gnade ihnen von Gott zuteil wird und ich saß neben meiner Freundin und dachte "Hilfe, was geschieht hier?" So etwas war mir bis dato gänzlich unbekannt.
Und der Pfarrer hielt es wohl für angemessen, "vor" den fröhlichen Tagen noch darauf hinzuweisen, dass es auch ein danach gebe und alles müsse in Maßen geschehen und er sah so viele Gefahren auf seine Schäflein zukommen, dass er sie gar nicht loslassen wollte.
Ich habe danach wochenlang mit meiner Freundin über diese Institution gestritten. Wir sind uns nicht ganz einig geworden.
Seither bin ich manchmal geradezu verbohrt, was Kirchenansichten angeht. Aber es ist sicher was wahres dran, es liegt auch immer an den Menschen selbst, was sie wollen und wie sie damit leben.
Es liegt auch an der Mentalität, am Charakter, an der Geschichte...., wo sich welche Kirche durchsetzt.
Mal ganz provozierend gefragt: Vielleicht braucht ihr sowas am Rhein ja, um nicht außer Rand und Band zu geraten? Während wir hier im Norden schon selbst auf uns aufpassen. *g* (Nicht ganz ernst gemeint)
Ich frage mich auch durchaus manchmal, ob es insgesamt nicht eben doch auch wichtig ist - um "Werte" zu erhalten? Da den richtigen Weg zu finden, finde ich schwierig. Aber wenn es das alles nun gar nicht geben würde, nichts ähnliches, ersetzendes - würden wir als Gesellschaft damit klar kommen? Da habe ich ebenfalls meine Zweifel. Vielleicht würde man die Folgen gar nicht sofort erkennen, sondern erst nach 100 Jahren?
Die Katholiken sollten aber ernsthaft über eine Reformierung nachdenken... das scheint mir allenfalls in den Anfangsschuhen zu stecken.
Vielleicht interessiert euch ja diese Neufassung der 10 Gebote … ;-)
http://www.mattwagner.de/2006/04/ex-cathedra-die-neuen-zehn-gebote.htm
bzw. 10 Gebote
Kommentar veröffentlichen