Die Frage nach dem "Sein" ist die Frage nach dem "Sinn". Ständig sucht man Antworten und begegnet nur neuen Fragen. Wem die Welt zu schnell ist, der entschleunigt sie und zieht sich in einen langsamen, anachronistischen Teil seines Bewußtseins zurück. Wer Angst hat, sucht sich Verbündete. Das Pfeifen im Wald - ein Kirchenlied?Als Kind war ich Messdiener. Meine Eltern, katholisch (trotzdem beide in zweiter Ehe lebend), haben das wohl gut geheißen. Wieso ich Messdiener wurde, weiß ich nicht mehr. Ich habe alles mitgemacht. Taufe, Kommunion, Firmung. Ich bin sogar Taufpate. Während ich Messdiener war, habe ich angefangen, die Kirche als Institution zu hinterfragen. Das mache ich noch heute. Teils populistisch provozierend, teils süffisant den Finger in die schwärenden Wunden legend.
Gleichzeitig mit meiner Arbeit als Journalist habe ich mich für die alten Religionen zu interessieren begonnen. Die Kelten mit ihren Opfern faszinieren mich wegen der Machtfülle ihrer Druiden. Die "Heiden", die ihren Namen von der Anbetung der und den Messen in der Natur haben, sind mir allerdings weitaus näher. Gaia als Gottheit anzusehen ist mir dann aber doch ein bisschen zu hoch - das Ding unter meinen Füßen ist ein Felsbrocken mit Eisenkern, der durch die schnelle Drehung seinen kugelförmigen Charakter bekam. Nichtsdestotrotz ist mir das Konzept der Achtung der Natur wesentlich angenehmer als das bloße Anbeten eines Zimmermanns.
Moralinsaure Predigten, die Aberkennung wissenschaftlicher Beweise, der nahezu mörderische Umgang mit dem Thema AIDS. Nicht zu vergessen die seit Jahrhunderten praktizierte Bereicherung einer Gruppe Frömmlinge auf Kosten der Allgemeinheit. Kirchensteuer.
Zugute halten muss man der Kirche, dass sie viele der Projekte führt, erfindet und aufrecht erhält, die von Bund, Land und Kommune vernachlässigt werden. Mehr als zwei Milliarden Euro werden so an Kirchensteuer eingenommen - nur in NRW. Dazu kommt der Grundbesitz (die meisten Kirchen sind in zentraler städtischer Lage und haben damit einen immensen Wert), Beteiligungen, Unternehmen ...
Trotzdem ist Kirche - vor allem die katholische Version, die ich in diesem gesamten Post nur als "Kirche" bezeichne - für viele cool. Spätestens seit "wir" Papst "sind". Mein Papa hätte sich bestimmt darüber gefreut, wenn er auch den Ratzinger nicht wirklich toll fand, weil der den afrikanischen Ländern den Schutz vor AIDS per Appell an den "Glauben" verbot. Meine Mutter ärgerte sich schon immer über die alberne Verweigerung der Anerkennung homosexueller Partnerschaften. Mein Papa lebte lange in Kevelaer, liebte Kirchen und war gläubig. Meine Mutter ist geborene Schiefbahnerin, war zu Lebzeiten gläubig.
Glaube ist etwas anderes als Kirche. Das ist mir von meinen Eltern klar gemacht worden. Und genau so ist dieses Post zu verstehen. Ich respektiere und akzeptiere den individuellen Glauben. Das gilt nicht für die Amtskirchen und ihre machtversessenen Strukturen. Kirche (nicht: Glaube) konterkariert all das, was uns die Gründerväter ins Stammbuch geschrieben haben. Gleichstellung von Mann und Frau, beispielsweise. Rückwärts gewandt. Selbstverliebt. Wirklichkeitsvergessen.
Während die Demokratie als solche sich mitunter neu erfindet und neue Wege geht, also Erwachsen wird und sich so den wachsenden Anforderungen durch immer mehr und immer schneller informierte Menschen halbwegs anpasst, bleibt Kirche, was sie schon immer war. Inszenierung, Besitzstandswahrung, mitunter ungebetene Einmischung in das Leben, privilegierte Elite vor allem in den oberen Entscheidungskasten.
Dabei ist Glaube - vor allem, wenn nicht fanatisch - etwas Gutes. Für andere, nicht für mich. Glaube kann Schwache stark machen, kann Einsame in eine Gemeinschaft integrieren. Kann Trost und Geborgenheit bieten. Und dabei ist es völlig egal, woran geglaubt wird. Das Problem sind selten die Gläubigen, ist weniger die Basis.
Habemus papam? Ich nicht.